Dienstag, März 19, 2024

Powder & Pumps … Teil 2

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Powder & Pumps  … Teil 2

In Windeseile leihe ich mir passende Schuhe zu den gebrauchten Tourenskiern, die Ingo mir mitbringt, und rase zum verabredeten Treffpunkt. Sowohl mein Date als auch die Ski lassen mich kurz zweifeln, ob ich mich wirklich im 21. Jahrhundert befinde oder schon in der Matrix festsitze. Plötzlich erinnere ich mich an das Jahr 1986, als ich noch zu Status Quos “In the army now” meinem Tanzpartner klarzumachen versuchte, dass er doch bitte seinen Fuß mit einer angemessenen Geschwindigkeit von meinem großen Zeh entfernen möge. Ingo hat den Look eines Schachspielers, dessen Gesicht mangels Alternativen unweigerlich die Farbe des Spielbrettes reflektiert. Nur ohne schwarz. Als er kurz die Jacke wechselt und ich auf seinen Pullunder blicke, ahne ich, das geht in die Hose, weil es einfach nicht zur Hose passt.

Ingo klebt unsere Skifelle auf die Lauffläche und sichert sie am anderen Ende gegen Abrutsch. Während seine Felle die gesamte Lauffläche bedecken, erfüllen meine diese Funktion nur zur Hälfte. Noch ehe ich etwas sagen kann, stellt er fest, dass meine Schuhe nicht auf die Bindung passen. Glücklicherweise hat das Pärchen vom Nachbarauto einen Schraubenzieher dabei. Ingo ist leicht angenervt, bewahrt aber Contenance. Die Bindung klemmt, weil auch an ihr der Rost der Zeit nicht spurlos vorbeigegangen ist. Was Sauerstoff und Wasser die Jahre über nicht geschafft haben, kann auch ein Mann wie Ingo nicht zersetzen. Erleichtert schnalle ich mir die Ski unter und teste das freie Anheben der Ferse. Klappt. Ingo schielt auf sein Handgelenk: 11:10 Uhr.

Motiviert und vom glitzernden Schnee magisch angezogen bemühe ich mich um eine natürliche Gehbewegung und schiebe meine Ski Richtung Aufstieg. Ingo folgt. Kommunikation scheint unmöglich. Fehler von mir. Aus weiter Ferne vernehme ich seine Stimme. Gerade noch hatte ich das Gefühl, er würde schreien, aber als ich mich umblicke, verebbt die hohe Lautstärke. Ich muss mich geirrt haben. “Mensch, renn nicht so schnell! Du verpulverst Deine ganze Kraft!” Die Worte wirken wie Adrenalin auf verkanntem Potential. Hat er wohl nicht gedacht, dass ich schneller bin als er, was?! Einmal unaufmerksam, lande ich mit einem Ski in einem Bach. Ingo holt mich ein und seine leicht aufgerissenen Augen auf das klitschnasse Fell unter dem Ski lassen nur vermuten, das der Begriff Entsetzen in seinem Wortschatz existiert. Er hat sich im Griff. Ein Mann, den weder Kälte noch Schock davon abhalten, den Berg zu bezwingen, der vor ihm liegt. Schade, dass mir nur noch knapp eine Stunde mit ihm bleibt.

… (Fortsetzung folgt)

 

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